Nachlass Peter Dressler im FOTOHOF archiv

Diese „Archiv-Geschichte“ wurde aus der Perspektive einer bewahrenden, sammelnden Institution geschrieben. Der Autor Kurt Kaindl war 1981 Gründungsmitglied der Salzburger Galerie Fotohof und ist seit 1990 Herausgeber der Fotohof Edition. Er erzählt, wie im Falle des Nachlasses von Peter Dressler  (1942-2013) ein Werk vergleichsweise kurzfristig gesichert werden konnte.

Peter Dressler, aus der Serie ‘Eher seltene Rezepte’, 1987. Silbergelatine Abzug auf Kunststofftischtuch 50x65cm

Das FOTOHOF archiv wurde am 30. April 2015 eröffnet, gerade zum richtigen Zeitpunkt, wie die Geschichte des Nachlasses von Peter Dressler zeigt. Mit diesem bedeutenden österreichischen Fotografen, der in Wien an der Akademie der bildenden Künste tätig war, verbindet den Fotohof eine langjährige Zusammenarbeit – Ausstellungen und die Herausgabe einer Reihe von Bildbänden – die bis zu seinem letztlich doch überraschenden Tod im Jahr 2013 andauerte. In der österreichischen Fotoszene ist der Schock groß, als sich herausstellt, dass Peter Dressler kein Testament verfasst hat und auch keine erbberechtigten Verwandten bekannt sind. Es besteht die Gefahr, dass sein künstlerisches Werk verloren geht. Durch private Recherchen finden sich nach mehr als einem Jahr doch Erben in der Tschechischen Republik, die Anfang 2015 das Erbe von Peter Dressler antreten können. Wenige Wochen nach der Eröffnung des FOTOHOF archiv kommt der beratende Rechtsanwalt dieser Erben überraschend nach Salzburg, um die Möglichkeiten zu sondieren, das künstlerische Erbe als langfristige Leihgabe an das FOTOHOF archiv zu übergeben. Das Archiv stellt sich als einzige Institution in Österreich heraus, die so schnell und unbürokratisch reagieren kann, wie das in diesem Fall notwendig ist. Die Ansprüche an die Mitarbeiter des Archivs sind groß: innerhalb kürzester Zeit muss Peter Dresslers Atelier und Wohnung in Wien geräumt werden. Neben sorgfältig archivierten Ausstellungsbildern gehören zum Erbe auch größtenteils unsortierte Negative, verstreute fotografische Entwürfe, aber auch fertig vorbereitete Editionsauflagen, unzählige Dokumente und Briefe und eine entsprechend den Interessen des Künstlers zusammengetragene Bibliothek, Teile seiner fotografischen Ausrüstung und verschiedene Objekte, die er als Vorlagen für Fotocollagen und Stillleben verwendet hat. Bis zum Sommer 2015 gelangen alle Archivalien in das FOTOHOF archiv und können umgehend vorsortiert werden. Die langjährige Zusammenarbeit des Fotohofs mit dem Künstler hilft den Kuratoren, die Archivalien schnell beurteilen zu können. Und der private Trägerverein des Fotohofs  kann in wenigen Wochen genügend Mitarbeiter bereitstellen, um diese Übersiedlung zügig und schonend zu bewerkstelligen. Das Kunsthaus Wien meldet sich zu dieser Zeit bereits mit dem Wunsch, im Herbst 2016 eine große Retrospektive Peter Dresslers ausrichten zu wollen. Was für die künstlerische Anerkennung sehr wichtig ist, stellt natürlich für jedes Archiv eine große Herausforderung dar. Die Archivalien müssen kategorisiert, beschriftet, digital reproduziert, in Datenbanken eingetragen und für die Ausstellung gesichert und restauriert werden. Die Kuratoren Rainer Iglar, Michael Mauracher und Christine Frisinghelli können bereits zu Beginn des Jahres 2016 auf eine große Anzahl aufgearbeiteter und restauratorisch gesicherter Arbeiten zurückgreifen. Für solche kurzfristige Arbeitsbelastungen ist der personelle Hintergrund und die räumliche Nähe des Fotohofs von großem Vorteil. In kurzer Zeit können viele Mitarbeiter der Galerie auch im Archiv helfen. Dazu kommt ein bereits vorhandenes Netzwerk von Fachleuten, wie etwa die Salzburger Fotorestauratorin Maria Emberger, die beratend und unterstützend zur Seite stehen.

Peter Dressler, ‘Exterieur’, 1974. Silbergelatine Abzug auf Karton (7 Stk. 18,5x13,8cm u. 1 Stk. 18x28 cm), 85x65cm

Der Fotohof als Sammler und die Gründung des FOTOHOF archiv
Obwohl der Fotohof in Salzburg der zeitgenössischen Fotografie verpflichtet ist, gab es von Beginn an auch großes Interesse an der Aufarbeitung des Lebenswerks von Fotografen und Fotokünstlern. Sehr früh verbindet den Fotohof eine enge Zusammenarbeit mit Inge Morath, für die wir zahlreiche Ausstellungen und Bücher produzieren. Die Absprache mit den Künstlern besteht meist darin, dass die Bilder der Ausstellung im Fotohof verbleiben und weiter gezeigt werden können. Ähnliche Vereinbarungen gibt es mit anderen Künstlern, wie Heinz Cibulka, Otmar Thormann, Doug Stewart, Michaela Moscouw oder Gerti Deutsch.

Peter Dressler, aus der Serie ‘In unmittelbarer Nähe’, 2003. C-Print, 56x40cm

Im Jahr 2014 konnte der private Trägerverein des Fotohofs die Anmietung von Räumen in unmittelbarer Nähe der Galerie erreichen. Die Grundidee des Archivs besteht darin, von den vertretenen Fotokünstlern eine breit gefächerte Sammlung anzulegen. Im idealen Fall lässt sich so nicht nur die künstlerische Arbeit eines Fotografen zeigen und verstehen, sondern es lassen sich auch Einsichten in die visuelle Kultur der Zeit gewinnen. Obwohl der Schwerpunkt auf der österreichischen künstlerischen Fotografie liegt, werden auch internationale Arbeiten oder anonyme Fotografie gesammelt.

Ein so breites Sammlungsinteresse benötigt die entsprechenden Werkzeuge: Im FOTOHOF archiv wird daher die gesamte Palette von Produktion über Archivierung bis zur Präsentation abgedeckt. Herzstück ist ein klimatisierter Raum zur Aufbewahrung der Objekte. Ebenso wichtig ist ein großer Arbeitsraum, in dem Repros und Scans von Negativen und Prints hergestellt werden können und der sich auch für Schulungen eignet. Es gibt eine Dunkelkammer, um aus den Negativen analoge Vergrößerungen anfertigen zu können, es gibt Inkjet-Printer, um digitale Daten auszudrucken. Besonderer Wert wird auf die öffentliche Zugänglichkeit gelegt. Es gibt Arbeitsplätze für Kuratoren und eine kleine Galerie, in der laufend Präsentationen von Arbeitsergebnissen des Archivs gezeigt werden. Kurt Kaindl

Der Beitrag erschien erstmals in PHOTONEWS 7-8/2016.

Information: Das FOTOHOF archiv kann nach Voranmeldung besucht werden. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe des Fotohof. Kontaktieren Sie den Fotohof oder Dr. Kurt Kaindl (Tel. +43 699 18420124, E-Mail: fotohof@fotohof.at). Eine Bildauswahl zu Peter Dressler gibt es auf der Homepage des FOTOHOF archiv: http://archiv.fotohof.at

Das Kunst Haus Wien zeigt die Ausstellung „Peter Dressler“ vom 16. November 2016 bis 23. April 2017.