Walter Vogel und die bpk

„Der in Düsseldorf lebende 83-jährige Fotograf Walter Vogel hat Teile seines Œuvres an das bpk Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte in Berlin gegeben. Vogel ist mit seinen Künstlerporträts von Pina Bausch und Joseph Beuys, mit seinen Alltags- und Arbeitsmotiven aus dem Ruhrgebiet sowie seinen Caféhaus- und Reisebildern bekannt geworden. Das zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehörende bpk zählt zu den wichtigen auf Kunst und Fotografie spezialisierten Archiven.“ So oder ähnlich könnte ein Text in einer Tageszeitung anlässlich der Tatsache aussehen, dass Walter Vogel im Vorlass, denn er lebt schließlich noch, nach langjähriger Tätigkeit erste Fotoarbeiten an ein renommiertes Archiv abgegeben hat. Zu viel mehr als für diese Kurznachricht dürfte das Interesse der Medien vermutlich nicht reichen, denn das Thema fotografischer Vor- und Nachlässe rangiert nicht unbedingt auf den vordersten Plätzen der Kulturberichterstattung. Dafür regt sich die öffentliche Diskussion hinsichtlich klassischer künstlerischer Nachlässe vermehrt. Das wohl markanteste Ereignis fand im Dezember in Berlin statt, als der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler e. V. in Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste ein eintägiges Symposium zum Umgang mit Künstlernachlässen veranstaltete. Wohlgemerkt, es ging um „Künstlernachlässe“, fotografische Nachlässe schloss das nur peripher ein. Generell ging es, übrigens im Beisein der Kulturstaatsministerin Monika Grütters, aus deren Ressort das Symposium gefördert wurde, um die „Bewahrung künstlerischer Nachlässe als Bestandteil des kulturellen Erbes“, wie es im Pressetext hieß. Dem ist hinzuzufügen, dass Fotografien fraglos mit zum „kulturellen Erbe“ gehören, mehr noch, sie zählen im Kontext aller für die Historie und damit unser kulturelles Gedächtnis prägenden Bilder zu den wichtigsten Quellen der jüngeren Geschichte.

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Duisburg, 1965. Blick von Ruhrdamm im Stadtteil Ruhrort Richtung Norden. © bpk / Walter Vogel

Dass Walter Vogel, der nach einem Ingenieursstudium und anschließender Tätigkeit als Technischer Leiter in einem Chemieunternehmen erst im fortgeschrittenen Alter von 1963 bis 1968 bei Otto Steinert an der Folkwangschule in Essen studierte und seitdem Jahrzehnte mit dem Verständnis eigenständiger Autorenfotografie gearbeitet hat, schon längere Zeit nach einem geeigneten Ort für seine Fotografien gesucht hat, klang schon im Sommer 2010 in der von Photonews herausgegebenen Beilage „Archive und Nachlässe“ an (s. Photonews 7-8/2010). Exemplarisch wurde darin auf ihn hingewiesen. Insofern erleben wir jetzt die Fortsetzung seines Suchens und das Ergebnis seines Findens. Ein erster Kontakt mit Hanns-Peter Frentz, dem Leiter des bpk, fand 2011 dank der Vermittlung durch den Berliner Karikaturisten, Fotokünstler und Archivbesitzer Ernst Volland statt. Die daraus hervorgegangenen Gespräche und Verhandlungen erwiesen sich als langwierig und durchaus schwierig, da die heute grundsätzlich anstehenden unterschiedlichen Interessen aufeinandertrafen. Das waren und sind, um es allgemein und allein mit Blick auf den Vorlass zu formulieren, die Vorstellungen der Fotografen, mit ihren Bildern einen Geldbetrag zu erzielen, der sich aus der Summe der Marktwerte einzelner ihrer Fotografien errechnet. Dazu kommt die Klärung der Weiterverwertung: Bleiben die Rechte beim Fotografen, wie werden die Erlöse aus den Aktivitäten des übernehmenden Archivs noch zu Lebzeiten und wie danach geregelt? Diesen Vorstellungen und Erwartungen stehen die Überlegungen und kommerziellen Unabdingbarkeiten der übernehmenden Institution gegenüber: Welches Budget kann für Ankäufe veranschlagt werden (das liegt heute bei den meisten staatlichen wie kommerziellen Archiven durchgehend niedrig), welcher personelle wie materielle Aufwand muss getrieben werden, um die übernommenen Fotografien „einzupflegen“ und mit welchen kommerziellen Erlösen ist im Verhältnis dazu für die nahe Zukunft zu rechnen? Wie bei solchen von Erwartungen auf der einen und Überlegungen des Machbaren auf der anderen Seite geprägten Verhandlungen üblich, waren auch die Vorstellung von Walter Vogel und die Machbarkeitserwägungen von Hanns-Peter Frentz lange Zeit widerstreitend.

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Genua / Italien, o. J. © bpk / Walter Vogel

Für eine Annäherung und dann letztlich die Entscheidung für das bpk gab es am Ende für Walter Vogel keine Zweifel. Ihm war, wie er aktuell in einem Gespräch bekundete, die staatliche Absicherung des bpk wichtig, wie sie durch die Einbindung in die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gegeben ist. Das macht diese Institution, wie er unterstrich, auch langfristig sicherer gegenüber möglichen internen privaten Interessen. Das sieht Walter Vogel auch in Bezug auf die internationale Konkurrenz der Globalplayer wie Getty Images und andere Bildanbieter. Dazu kam für ihn noch ein ganz persönlicher Beweggrund, nämlich die durch seinen Vater,  der Berliner war, gegebene Verbundenheit mit Berlin. Auch die noch zu seinen Lebzeiten gewährleistete freie Verfügbarkeit aller fotografischen Materialien kam als wichtiger Faktor hinzu. Davon unberührt kann er, ein nicht minder entscheidender Punkt, über seine nach wie vor in Düsseldorf befindlichen, für Ausstellungen vergrößerten Fineprints weiter frei verfügen. Als übergreifende Überlegung war und ist ihm bewusst, dass er nicht der einzige Fotograf ist, der nach einer geeigneten Institution auf der Suche ist, und insofern erfüllt es ihn sogar mit Stolz und Glück, von einem, wie er es einschätzt, so hochkarätigen Archiv zukünftig vertreten zu werden. Hochkarätig insofern, als ihm die Anwerbungspolitik des Archivs nicht entgangen ist, wonach unübersehbar auf prominente Autorenschaften gesetzt wurde. Zu den aus der Geschichte der Fotografie bekannten und im Archiv vertretenen Namen gehören Willy Römer, Emil Bieber, Friedrich Seidenstücker, Hein Gorny, Hanns Hubmann und andere. Dazu kamen Charles Wilp, Abisag Tüllmann, Gerhard Kiesling, Konrad Hoffmeister, Digne Meller Marcovicz und zuletzt Roswitha Hecke. Es verwundert nach all diesen Überlegungen nicht, dass Walter Vogel auf die Frage nach den Gründen, warum er letztlich das bpk gewählt hat, obwohl er auch Anfragen von anderen Archiven bekommen hat, prompt mit der Gegenfrage reagierte: „Was gibt es Besseres?“

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Pina Bausch, Avignon / Frankreich, 1967. © bpk / Walter Vogel

Nachdem Ende 2014, nicht zuletzt auch aufgrund des Vertrauens zu Hanns-Peter Frentz, ein Vertrag geschlossen worden war, gelangten nun die wichtigen Teile des Gesamtwerkes von Walter Vogel nach Berlin und zwar, was die langen fairen Verhandlungen unterstreicht, persönlich von Frentz mit dem Wagen aus Düsseldorf abgeholt. Das sind die frühen Arbeiten über Joseph Beuys und Pina Bausch, Bilder aus der Düsseldorfer Künstlerszene, die Ruhrgebietsbilder, vielfältige Reisebilder mit dem Schwerpunkt Italien und da im Besonderen Genua sowie thematische Arbeiten zu Rummelplätzen, zur Travestie und zur Veränderung der Stadt und –  ein besonderes Steckenpferd Vogels – Bilder rund um den Kaffee mit Caféhausmotiven und Kaffeewerbung und schließt neben den Positiven sowohl die Negative als auch neuere Scans mit ein. Somit verfügt das bpk nun über die wesentlichen Arbeiten von Walter Vogel. Damit ist ein Agreement getroffen worden, das Beispielcharakter hat, denn es gibt dem Fotografen zu Lebzeiten das sichere Gefühl, dass seine Arbeiten überdauern werden und ganz im Sinn des kulturellen Erbes Bestand haben und bietet dem Archiv zugleich die Möglichkeit, die Kerninteressen des Bildergeschäfts, nämlich das Handeln mit Bildern, was es auch ist, aufrechtzuerhalten.

Enno Kaufhold

Der Beitrag erschien erstmals in PHOTONEWS 2/2016