Das Bildarchiv des Deutschen Museums in München
Als das Deutsche Museum am 7. Mai 1925 feierlich in seinem Neubau auf der Museumsinsel eröffnet wurde, entwickelte es sich schnell zu einem Publikumsmagneten, der es noch heute mit ca. 1,4 Millionen Besuchern jährlich ist. Dies ist nicht nur in der hohen Zahl und Originalität vieler seiner Exponate begründet, sondern auch darin, dass Besuchern Erkenntnisse aus den Bereichen Naturwissenschaft und Technik damals wie heute durch Vorführungen und die Möglichkeit zu kleinen eigenen Versuchen näher gebracht werden. Die Anordnungen entsprechen dem zu seiner Zeit didaktisch völlig neuen Museumskonzept seines Gründers, des Bauingenieurs und Pioniers der Elektrotechnik Oskar von Miller (1855-1934), das neben den Sammlungen – auch das ein Novum – einen Studienbau mit Bibliothek und Archiv sowie ein Kongress- und Veranstaltungszentrum vorsah.
Auf den Tag genau sieben Jahre nach dem Sammlungsbau öffnete das ihm gegenüberliegende Bibliotheksgebäude, dessen Magazine etwas ungewöhnlich in der obersten, dritten Etage liegen. Hier ist auch das Archiv angesiedelt. Es zählt heute zu den bedeutendsten seiner Art und verwahrt insgesamt rund 4,5 Regalkilometer an Archivalien, Quellen und Dokumenten zur Geschichte der Naturwissenschaft und Technik.
Seit der Museumsgründung im Jahr 1903 werden auch Fotografien gesammelt. Dabei setzt sich das Bildarchiv von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik mit nunmehr einem Gesamtbestand von mehr als einer Million Positiven und Negativen aus verschiedenen Teilbeständen zusammen. Mit ca. 50.000 Einzelfotos stellt die ‘Allgemeine Fotosammlung’ nicht den größten Teilbestand, aber denjenigen mit dem breitesten Spektrum dar. Es handelt sich hierbei um einen Sammelbestand mit Einzelaufnahmen zu Objekten und Themen aus allen Bereichen der Naturwissenschaft und Technik. Die Schwerpunkte liegen auf folgenden Gebieten: Astronomie, Bauwesen, Berg- und Hüttenwesen, Chemie, Elektrotechnik, Erdkunde, Grafische Gewerbe, Maschinenbau, Mathematik, Papiertechnik, Physik, Textil, Verkehr. Ergänzt wird dieser Teilbestand durch die Sammlung ‘Firmen’ (ca. 10.000 Aufnahmen), die vorwiegend Werksfotos von Produkten von rund 250 Firmen (besonders aus dem Automobil- und Maschinenbau), Innenansichten von Fabriken und Arbeitsszenen aus der Zeit zwischen 1870 und 1985 enthält. Daneben existiert noch die Fotosammlung ‘Technik im Bild’ (ca. 7.000 Fotos), eine Dia-Sammlung zur Geschichte der Technik (17.000 Dias) und die Fotosammlung ‘Luft- und Raumfahrtdokumentation’, als Teil eines der größten Einzelbestände im Archiv des Deutschen Museums, welcher in etwa einen Regalkilometer umfasst. Rund eine halbe Million Fotografien unterschiedlicher Art dokumentieren die Anfänge der Luftfahrt bis hin zur modernen Raumfahrt und umspannen einen Zeitraum von mehr als 120 Jahren. Mehrere Tausend Portraitaufnahmen von bedeutenden Naturwissenschaftlern, Technikern und Ingenieuren aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs. bis zum Ende des 20. Jhs. befinden sich ebenfalls im Bildarchiv sowie mehr als eine Viertelmillion analoge und digitale Bilder zur Geschichte des Deutschen Museums.
Neben all diesen im Archiv gebildeten Beständen unterschiedlichster Provenienz nehmen die vom Haus übernommenen Sammlungen ein großes Gewicht ein, wie u.a. die Sammlung zu Leben und Werk von Carl August Steinheil (1801-1870) mit einem Umfang von 1.000 Aufnahmen. Dabei zeichnet sich das Konvolut nicht nur durch Abbildungen von Dokumenten, Geräten und Apparaturen der Firma C.A. Steinheil und Söhne, München zu Optik, Astronomie und Fotografie aus, sondern enthält auch die ersten in Deutschland entstandenen Fotografien – diverse nach dem Steinheil-Verfahren aufgenommene Stadtansichten von München aus dem Jahr 1839.
Darüber hinaus enthalten zahlreiche der rund 270 Nachlässe im Archiv des Deutschen Museums Fotografien. Zu den bedeutenderen und umfangreicheren Fotosammlungen gehört die des österreichischen Physikers und Philosophen Ernst Mach (1838-1916), welche 1998 zusammen mit seinen wissenschaftlichen Notizbüchern und anderen Dokumenten vom Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, das Ernst-Mach Institut in Freiburg, an das Archiv übergeben wurde. Mach beschäftigte sich u.a. mit der Sichtbarmachung von Stoßwellen und verband hierbei Fotografie und physikalisches Experiment. Ab Mitte der 1880er Jahre fertigte er bzw. sein Mitarbeiter Peter Salcher mittels der von August Toepler entwickelten Schlierenfotografie Aufnahmen von mit Überschall fliegenden Projektilen an. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wirkten nachhaltig auf die Ballistik ebenso wie auf die Gebiete der Strömungslehre und Gasdynamik. Durch ihre sachliche Strenge und ästhetische Schönheit scheinen die Aufnahmen auch spätere Richtungen in der Fotografie vorwegzunehmen – man denke hier nur an Harold E. Edgerton und seine berühmte Aufnahme Bullet Through the Apple von 1964. Insgesamt sind weit über 150 Aufnahmen mit Projektilen vorhanden, über 900 Fotoplatten, auch zu weiteren Versuchen, besitzt das Archiv.
Mit dem Nachlass von Ernst Mach zeigt sich ein besonderer Schwerpunkt des Fotobestandes im Archiv des Deutschen Museums: die wissenschaftliche Fotografie. Sie beinhaltet ein breites Spektrum von frühen Röntgenaufnahmen, den hier angeführten Geschossfotografien, spektroskopischen Aufnahmen, Mikro- und Astrofotografien genauso wie Luftaufnahmen und Fotos von Materialtests und -prüfungen. Teilweise sind diese Fotos in unterschiedlichsten Sammlungen und Nachlässen vorhanden. Auch die Fotosammlungen von Max Hauer zur Mikrofotografie (ca. 200 Aufnahmen von organischen Stoffen als Vorlagen für sein Werk Pflanzenanatomischer Atlas, ca. 1892) oder von Otto Bütschli mit Aufnahmen von pflanzlichen und tierischen Stoffen zählen zu diesem Schwerpunkt.
In diesem Kontext darf die Dauerausstellung „Foto + Film“ nicht unerwähnt bleiben, mit der das Deutsche Museum seit Mai 2007 einen umfassenden Überblick von der Entstehung der analogen Aufnahmetechnik bis zur modernen, digitalen Film- und Fotoausrüstung präsentiert. Zu ihr gehören auch mehrere Hundert exemplarische Beispiele für historische Verfahrenstechniken.
Ganz im Sinne des Museumsgründers können alle Bildbestände nach schriftlicher Anmeldung eingesehen werden. In der zum Archiv gehörenden Bildstelle liegt ein Präsenzbestand von ca. 50.000 Dokumentationsfotos vor. Hier findet der Besucher in systematischer Ordnung Fotodokumente zur Geschichte des Deutschen Museums, zu wichtigen Objekten und Personen der Naturwissenschafts- und Technikgeschichte sowie Fotos geschriebener oder gedruckter Dokumente von hohem historischen Wert. Die Öffnungszeiten und eine vollständige Liste des Bildarchivs sind im Internet auf der Website des Deutschen Museums nachzulesen.
Roswitha Salzberger
Der Beitrag erschien erstmals in der Reihe „Spezialarchive“ in PHOTONEWS Juni 2009.