Die Fotobestände des Museums der Arbeit in Hamburg
Angesiedelt auf dem Gelände eines der ältesten noch erhaltenen Fabrikensembles Hamburgs, der New- York-Hamburger Gummi-Waaren Compagnie, zeigt das Museum in seiner Dauerausstellung vor allem Objekte, materielle Hinterlassenschaften der industriellen Arbeits- und Alltagswelt mit Bezug zu Hamburg. Viele weitere lagern in seinem Archiv. Gesammelt werden hier technik-, sozial- und kulturgeschichtlich interessante und aussagekräftige Gegenstände, insbesondere auch solche, die dem Museum von Privatpersonen überlassen werden und eng mit Biographien, persönlichen Geschichten und Erinnerungen verknüpft sind. Daneben enthält das Archiv des Museums, das der Öffentlichkeit zugänglich ist, eine umfangreiche Sammlung persönlicher Dokumente, wie Zeugnisse, Gewerbeanmeldungen, Haushaltsbücher, Briefe. Des Weiteren werden Archivalien zur Geschichte Hamburger Firmen gesammelt, Plakate und Flugschriften sowie Werbematerialien. Fotografien unterschiedlichster Art und Funktion gehören ebenfalls zu den Sammlungsschwerpunkten.
Seit der Gründung des Museums werden private Nachlässe übernommen, deren Umfang von einer bis zu mehreren Tausend Aufnahmen reicht. An die 200 Hinterlassenschaften besitzt das Museum heute, darunter beispielsweise die Familienfotos von Renate M., welche mehr als drei Dekaden um spannen. Die Fotografien von Familienmitgliedern, unter ihnen Handwerker, Industriearbeiter, Schauspieler sowie ein Friseur, geben Einblick in die verschiedenen Berufswelten ab ca. 1940. Außer solch losen, in Kartons unsortiert aufbewahrten Abzügen gibt es Alben unterschiedlicher Thematik. Ein Arbeitsleben dokumentiert z.B. jenes, welches der Buchdrucker Henry Grapendorf nach fünfzig Jahren Betriebszugehörigkeit 1961 zum Ab schied von seiner Firma erhielt. Die Welt der Arbeiter stellt das mit dem Titel hamburg ohne kragen versehene Album des Fotografen Pol Sackarndt vor, das den Arbeitern in Hamburg gewidmet ist. Seit dem Jahr 2000 übernimmt das Museum auch geschlossene Unternehmensarchive. In manchen Fällen existiert nur noch ein Firmenalbum Spezialarchive wie jenes der auf Holzbearbeitungsmaschinen spezialisierten ehemaligen W. Ritter Maschinenfabrik. Auf bemerkenswert gut erhaltenen Albuminpapieren des 19. Jahrhunderts sind dort Fabrikansichten, Portraitaufnahmen der Eigentümer und Gruppenfotos der Belegschaft in genannter Reihenfolge zusammengestellt. Erwähnenswert sind auch die Alben der Margarinefabrik A.L. Mohr AG aus der Zeit um 1900 oder der Firma Klaus & Co., Hersteller der in der Nachkriegszeit in Norddeutschland bekannten „Klaco“-Pflaumenmarmelade. An Firmenarchiven mit umfangreichem Fotomaterial sind im Bestand: das Bildarchiv der Wohnungsbaugesellschaft SAGA, jenes von Unilever Deutschland für den Zeitraum von 1960 bis 1985, ferner die Fotobestände der 1863 gegründeten Paul Haase Apparatebauanstalt sowie die Sammlung der für ihre dreirädrigen
Nutzfahrzeuge berühmten Tempo-Werke GmbH. Einen besonderen Stellenwert nimmt aufgrund seines Umfangs und seiner Qualität das Fotoarchiv von Reemtsmaein. Es entstand seit dem Umzug des Unternehmens von Erfurt nach Hamburg Altona-Bahrenfeld im Jahr 1923. In den darauf folgenden Jahrzehnten sammelten sich in der Werbeabteilung rund 70.000 Bilder zur Geschichte der Firma, zur Zigarettenfertigung und den Tabakreisen ausgesandter Fotografen und Bildjournalisten an. Alle Auf nahmen, erhalten als Einzelbilder, in Fotoalben, als Negative oder Dias, sind Auftragsarbeiten, die mit bestimmten Absichten angefertigt und für verschiedene Zwecke verwendet wurden, so auch jene, für die Werner Mannsfeldt, Wolfgang Weber, Thomas Grebe und René Burri nach Griechenland, in die Türkei oder in die Anbaugebiete der USA reisten, um die dortige Tabakwirtschaft sowie Land und Leute zu fotografieren. Ihre Bilder wurden später für Werbekampagnen verwendet und waren 2005 in der Sonderausstellung „Rauchzeichen“ zu sehen. Anlass für die Schau boten der Verkauf des letzten großen deutschen Zigarettenkonzerns und die Übernahme seiner Archive im Herbst 2003. Derzeit verwaltet das Museum zudem sechs Nachlässe von Fotografen der Arbeit. Deren bekanntester ist der 2001 verstorbene Bildjournalist und Chronist Gerd Mingram (GERMIN). Auf mehr als 100.000 Schwarzweißfotografien hat er Hamburgs Geschichte von den 1930er bis in die 1970er Jahre festgehalten. Aus diesem Fundus, von dem ein Teil in der Abteilung Fotografie im Denkmalschutzamt Hamburg liegt, sind bereits einige Bücher entstanden, wie die 1994 herausgegebene Monographie Gernot Krankenhagens zu Leben und Werk GERMINS. Verwahrt werden auch die Nachlässe von Horst Janke, in Hamburg zwischen 1950 und 1965 als freischaffender Pressefotograf tätig; Hans Pawlak, Eberhard Koerner und Harald Zoch, welcher für die Hamburger Hafen und Lagerhaus AG überwiegend Stückgutumschlag und Quartiersarbeiten sowie den Einzug des Containerverkehrs im Hafen festhielt. Das Konvolut von Wolfgang Etzold besteht aus berufskundlichen Fotografien, die der Hamburger Fotograf in der Zeit von ca. 1960 bis 1988 für die Bundesanstalt für Arbeit anfertigte. Mehr als 150 Berufe sind in den Bildern, die z.T. der Illustration von Kalendern dienten, dargestellt. In den reichhaltigen, hier nur kurz vorgestellten Fotobeständen des Museums der Arbeit sind sämtliche in der Region ansässigen Branchen und Wirtschaftszweige vertreten, ein wahrer Bilderschatz zur Industriegeschichte Hamburgs und seiner Menschen, der noch viel an Forschungsmaterial bereithält.
Roswitha Salzberger
Erstmals erschienen in PHOTONEWS Februar 2010.