Die Fotosammlung des Museums Europäischer Kulturen – Staatliche Museen zu Berlin

Es darf nicht fehlen in dieser Reihe, die institutionelle Archive und Sammlungen vorstellt, in denen Fotografien als ein Teil unserer Kulturhistorie geschätzt, bewahrt und erforscht werden. Die Rede ist vom Museum Europäischer Kulturen (MEK) in Berlin. Es gehört, wie der Publikumsmagnet Pergamonmuseum oder die Nationalgalerie, zu den Staatlichen Museen zu Berlin, die von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz getragen werden.

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Bildtafel der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte

Hervorgegangen ist das MEK 1999 aus der Vereinigung des 110 Jahre alten Museums für Volkskunde (MVK) mit der Europäischen Sammlung des Ethnologischen Museums. Mit rund 270.000 Objekten beherbergt es eine der größten Sammlungen europäischer Ethnographica und Kulturgeschichte weltweit. Hierzu gehören auch die fotografischen Sammlungen, die sich aus den Beständen der beiden oben genannten Museen sowie des ehemaligen Museums für Deutsche Volkskunde zusammensetzen. Entstanden sind sie in ihrem Ursprung – wie die anderen Sammlungen des Hauses – Ende der 1880er-Jahre. Dokumentiert sind u.a. volkskundlich und ethnologisch relevante Themen. Sie waren zu früherer Zeit vornehmlich das Feld von Wissenschaftlern, Amateurforschern und Reisenden. Zu denen, die die verschiedenen Regionen Europas fotografisch festzuhalten suchten, gehörte auch der bedeutende Mediziner, Anthropologe, Prähistoriker und Kommunalpolitiker Rudolf Virchow, der 1869 die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (BGAEU) gründete und ein maßgeblicher Gründer und Förderer des Museums für Volkskunde – damals Sammlung für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes – war.

Seit den 1980er Jahren wurde vor allem das Bildarchiv des MVK systematisch – über seinen dokumentarischen Charakter hinaus – ausgebaut. Der Sammel- und Forschungsschwerpunkt des MEK liegt nunmehr parallel zur Entwicklung des Fachgebiets in eine empirische Kulturwissenschaft bzw. Visual Anthropology in der Alltagsfotografie, sowohl was die Sujets, als auch was die Fotografierenden betrifft. Letztere können professionelle Fotografen, ambitionierte Amateure oder auch „Knipser“ sein.

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Aus dem Bildarchiv der nicht mehr existierenden Zeitschrift „Elternblatt“, Fotograf unbekannt, 1970er Jahre © MEK, Berlin

Das Spektrum der Themen ist breit und vielfältig wie das Leben selbst. Es reicht von den Bereichen Schule, Arbeit, Familie und Kinder bis hin zu Freizeit- und Urlaubsgestaltung. Ebenso sind Aufnahmen von öffentlichem Leben, wie auf Bahnhöfen, in Geschäften oder Gaststätten, im Theater oder einfach auf der Straße, ein Teil dieses Schwerpunkts. So bilden z.B. auch Wohnweisen, wie die Gestaltung von Innenräumen, ein sammlungswürdiges Sujet. Dabei bezieht sich der Hauptteil der Sammlung auf das deutschsprachige Gebiet. Rein zahlenmäßig ist ihr Umfang noch verhältnismäßig klein und so besteht sie neben größeren, zu denen auch die so genannte Fotografen- und Verlagssammlung zählt. Sie enthält diverse Archive, wie den Teilnachlass von Wolf Lücking, welcher ab 1967 Professor für Fotografie an der Hochschule für Bildende Künste Berlin war und zwischen 1954 und 1956 die Bäuerinnen des Schaumburger Landes bei der Arbeit, beim Kirchgang und auch in ihrer großen Festtracht portraitierte, oder das Verlagsarchiv der von 1957 bis 1971 erschienenen Zeitschrift „Elternblatt“, die sich als Sprachrohr, Informationsorgan und Bindeglied zwischen Eltern, Lehrern und Schülern verstand. Eine weitere Sammlung stellen die Fotos zur Museumsgeschichte und die Dokumentation des eigenen Objektbestandes, zu dem Schränke, Spielzeug, Trachten, Musikapparate u.v.a.m. gehören, dar. Außerdem ist der volkskundliche Bestand der ehemaligen Landesanstalt für Vorgeschichte Halle in das Bildarchiv integriert.

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Kroatien, Farbdia von Erika Groth-Schmachtenberger, 1942 © MEK, Berlin

Kuratorin dieser sich ergänzenden, einander aufbauenden und stetig wachsenden Fotosammlungen, denen gemein ist, dass die Aufnahmen jeweils Aussagen über das Leben und Umfeld der Menschen treffen, ist Dr. Irene Ziehe. Seit 1989 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Museum für Volkskunde tätig und seit 1990 für das Bildarchiv zuständig, initiierte und kuratierte sie 1992 mit „Das Alltägliche Foto“ die erste reine Fotoausstellung des MVK. Seitdem gehören sie fest zum Ausstellungsprogramm des Hauses und sind ein Bestandteil der alljährlich stattfindenden Europäischen Kulturtage. Eröffnet wurden diese im letzten Jahr mit „La Sardegna. Der Blick von drinnen und von draußen“. Die Ausstellung präsentierte historische Alltagsobjekte aus der Sammlung des MEK wie auch historische Aufnahmen aus dem Bestand, die Ende des 19. Jh. im Auftrag der BGAEU entstanden. In ausgewählten Arbeiten des Fotojournalisten und Publizisten Bernd Lohse, dessen Nachlass sich in der Bildagentur bpk befindet, zeigte sich der ethnografische Blick der 1930er Jahre. Der Blick von außen wurde weiterhin repräsentiert mit Aufnahmen der Fotografin Herlinde Koelbl, die in den 1990er Jahren in Sardinien weilte und ihr Augenmerk auf die traditionell-ländlichen Lebenswelten legte. Eine vom Ansatz gänzlich andere Sicht vermittelten die Fotografen Salvatore Ligios, Mario Arca, Massimo Mastrorillo und Luca Gabino. Als Italiener und Sarden hatten sie die gegenwärtigen kulturell-künstlerischen Aspekte des Lebens auf der Insel fokussiert. Mit ihren verschiedenen Sichtweisen und Ansätzen sowie ihrer historischen Dimension veranschaulichten die Fotografien zugleich die ganze Bandbreite der ethnologisch-kulturhistorisch ausgerichteten Sammlungen des MEK. Dabei lassen sich oftmals noch die unterschiedlichen Gebrauchs- und Repräsentationsformen an den Sammlungsobjekten ablesen, wie etwa bei den mehr als 200 Familien- und Reisealben, die das Museum besitzt. Nominell umfassen die Sammlungen ca. 150.000 Fotografien, zu denen neben industriell erzeugten S/W-Abzügen auch Unikate wie Daguerreotypien, Ferrotypien und Pannotypien zählen.

Der Standort des MEK ist das Museumsquartier Berlin-Dahlem. Seine genaue Lage sowie weitere Informationen finden sich im Internet auf der Website der Staatlichen Museen zu Berlin. Noch ein Hinweis: Aufgrund von Umbauarbeiten bleiben die Ausstellungsräume des Museums Europäischer Kulturen bis Frühjahr 2011 geschlossen, der Sammlungsbestand ist aber dennoch nutzbar.

Roswitha Salzberger
Der Beitrag ist erstmals erschienen in der Photonews Ausgabe September 2009.