Die Fotosammlung des Schwulen Museums in Berlin

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Bruce of Los Angeles, Modell auf Stuhl, 1950er Jahre, Schwules Museum, Sammlung Sternweiler

Sie sind nicht wegzudenken aus der Dauerausstellung des Schwulen Museums in Berlin, die vielen Fotografien aus dem 19. und 20. Jahrhundert, anhand derer und weiterer Artefakte die Geschichte einer Emanzipationsbewegung in Deutschland aufgezeigt wird am Beispiel der Homosexuellenbewegung. Vorgestellt wird der Zeitraum von 1790 bis 1990. Er bildet das historische Fundament, auf dem das heutige schwule Selbstverständnis basiert. Erzählt wird aus der Perspektive der Homosexuellen von den Möglichkeiten angesichts anhaltender Unterdrückung, Verfolgung und Bestrafung. Die herausgehobenen Momente heißen Selbstbewusstsein und Beharrlichkeit, die der seit 2004 bestehenden Ausstellung auch ihren Titel gaben. Darüber hinaus präsentiert das Museum, welches sich im Zuge einer Neuorientierung verstärkt der Geschichte und (Sub-)Kultur der queeren und lesbischen Bewegung zuwendet, mittels privater Fotografien vier Frauenbiografien; und nicht zuletzt einige Höhepunkte aus einer früheren Sonderausstellung, welche bundesweit erstmalig die Politik und Kultur der politisch und künstlerisch sehr produktiven Berliner Lesbenszene dokumentierte.

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Fotograf unbekannt, Starpostkarte des Damenimitators Bobby Walden, Berlin um 1900, Schwules Museum, Sammlung Sternweiler

Exemplarisch stellen die Fotografien an den Wänden auch die Fotosammlung des Schwulen Museums vor. Dabei fällt auf, dass viele Exponate aus der Sammlung des promovierten Kunsthistorikers Andreas Sternweiler stammen. Sternweiler, der zu den Mitbegründern des seit 1985 bestehenden Museums zählt, trug parallel zur Entwicklung desselben in einem Zeitraum von mehr als 20 Jahren eine der umfassendsten Privatsammlungen über Homosexualität zwischen 1500 und 1950 zusammen. Sie besteht aus circa 6000 einzelnen Objekten und Konvoluten und enthält neben Werken aus dem Bereich der Bildenden Kunst, Büchern, Briefen, Zeitschriften und Dokumenten auch eine beachtliche Zahl an Fotografien. Darunter befinden sich über 150 Starpostkarten von Herren- und Damenimitatoren von 1890 bis 1933, Fotografien zur internationalen Geschichte der Travestie sowie der Nachlass des deutschen Travestiestars der 1960er Jahre, Marcel André, mit über 500 Dokumenten und Fotografien von ihm und befreundeten Damenimitatoren zwischen 1930 und 1970. Des weiteren umfasst die Sammlung Fotografien zur Sozialgeschichte der Homosexuellen in Deutschland zwischen 1880 und 1950, insbesondere Fotografien von Freunden und Freundinnen sowie Freundschaftszirkeln zur schwulen und lesbischen Subkultur und zur Verfolgung in der Nazi-Zeit. Die rund 2000 erotischen Aufnahmen in der Sammlung stellen die Geschichte der Männer-Aktfotografie in Deutschland und in den USA zwischen 1880 und 1960 dar. Bei den Sammlungsobjekten handelt es sich um den einzigen, mittels Spenden und finanzieller Unterstützung der Kulturstiftung der Länder ermöglichten Ankauf des rein privat getragenen Museums.

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Rüdiger Trautsch, Demonstrationszug der Homosexuellen Aktion Westberlin auf dem Kurfürstendamm, Berlin 1973, Schwules Museum

Das Gros der fotografischen Bestände geht auf Schenkungen und Nachlässe zurück. Die Mehrheit der Aufnahmen, wie auch in der Ausstellung zu sehen, stammt hierbei aus dem privaten Bereich. Dies ist nicht nur historisch bedingt, sondern entspricht auch dem Sammlungsprofil des Museums, dessen Schwerpunkt auf Selbstäußerungen von Homosexuellen über sich und ihr Leben liegt und den Anspruch hat, homosexuelles Leben in all seinen Facetten zu zeigen. Zu den diversen, in ihrem Umfang stark schwankenden Konvoluten gehören zum Beispiel einige wenige Abzüge von Rita Thomas (*1932), die sich als bekennende „Bubi“ schon in jungen Jahren Tommy nannte und deren Fotografien einen Einblick in die Geschichte der Ostberliner Lesbenszene geben sowie die sehr umfangreiche private Fotosammlung des Filmarchitekten Albrecht Becker (1906 - 2002), in dessen Leben die Fotografie eine zentrale Rolle spielte. Becker, der schon früh zu fotografieren begann und ab 1927 mit einer Leica Kamera arbeitete, dokumentierte in vielfältigen Aufnahmen seine Lebensstadien, die zahlreichen Reisen, die er privat oder beruflich in Europa und in die USA unternahm sowie seine unterschiedlichen Freunde und Liebhaber. Vielfach halten die in der Sammlung vorhandenen und präsentierten Portraitaufnahmen auch historische Persönlichkeiten fest. Zu sehen sind auf ihnen unter anderem der Arzt und Gründer des Instituts für Sexualwissenschaft Magnus Hirschfeld, der Verleger Adolf Brand, Herausgeber der weltweit ersten Schwulenzeitschrift, oder der Hotelkaufmann Richard Schultz, welcher über die gesamte Nazi-Zeit seinen Literarischen Salon in Berlin-Charlottenburg aufrecht hielt. Von großer Bedeutung sind auch die seltenen fotografischen Zeitdokumente von denen das Museum einige wenige besitzt. Ebenso sind künstlerische Darstellungen zum Thema Homosexualität in die sechs Epochen der Dauerausstellung integriert. Sie reichen von den arkadischen Jünglingsbildern Wilhelm von Gloedens über Herbert Lists neuartige Bilder der Freundschaft, welche Ende der 1930er Jahre in Zusammenarbeit mit George Hoyningen-Huene entstanden sind, bis zu einem Portrait der US-amerikanischen Kultfigur William S. Burroughs, ins Bild gesetzt von Robert Mapplethorpe. Im Archiv lagern noch weitere Abzüge von berühmten Fotografen wie Duane Michals oder Bruce of Los Angeles, als auch der komplette Nachlass von Jürgen Baldiga (1959 - 2003), der zwar umstritten in der Fachwelt war, aber in der Berliner Homosexuellen-Szene ein Star. Baldigas Arbeiten gehörten in den 1990er Jahren zu zwei thematischen Ausstellungen des Museums, welches jährlich bis zu vier Wechselausstellungen konzipiert und präsentiert.

Die weltweit einzigartige Institution liegt in Berlin-Kreuzberg. Ihre genaue Adresse, die Öffnungszeiten sowie weitere Informationen finden sich im Internet unter www.schwulesmuseum.de.
Alle Interessierte sind eingeladen, die Ausstellungen zu besuchen oder das an Materialien reiche Archiv sowie die Bibliothek für professionelle oder persönliche Vorhaben zu nutzen.

Roswitha Salzberger
Der Beitrag erschien erstmals in der Reihe »Spezialarchive« in PHOTONEWS Juli-August 2009.